VORANKÜNDIGUNG
HERBSTTAGUNG FORUM MEDIZIN UND PHILOSOPHIE
Samstag 19. Nov. 2022 in Basel – Seminarhotel Ondeleya
Philosophie – Gehirn – Emotionen
Gastreferent: Prof. Thomas Fuchs, Heidelberg
Kennt mich mein Gehirn? Die Frage hat es in sich. Thomas Fuchs stellt sie implizit in seinem Buch ‘Das Gehirn – ein Beziehungsorgan’. Er kritisiert den Reduktionismus der exakten Naturwissenschaften und ruft in Erinnerung, dass deren 3. Person – Perspektive die 1. Person alles Lebendigen nicht erreichen kann. Das Messbare und das Lebendige sind zwei Seiten einer Medaille, die aber voneinander nichts wissen.
Den Schwerpunkt des Vormittags wird das Referat ‘Das Gehirn – ein Bezie-hungsorgan’ von Thomas Fuchs bilden. Am Nachmittag wird er ein inter-aktives Referat zum Thema ‘Paradigma der Verkörperung’ halten.
Das genaue Programm wird folgen. Wir werden in Basel auch eine neue Arbeitsgruppe zum Thema ‘Emotionen in der Philosophie’ initiieren. Anmel-dungen sind bereits jetzt möglich bei Burkhard Gierer b.gierer@bluewin.ch
Wichtig: Es sind auch interessierte Nicht-Mitglieder des Forums herzlich eingeladen. Termin reservieren und bei B. Gierer sich unverbindlich vor-merken lassen. Kosten: Fr. 100.- inkl. Mittagessen
Zur Person
Prof. Dr. med., Dr. phil. Thomas Fuchs, habilitiert in Psychiatrie und Psychotherapie, hat in Heidelberg den Karl Jaspers – Lehrstuhl für Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie inne. Er ist Leiter der Sektion Phänomenologische Psychopathologie und Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg.
Seine letzte Publikation: Verteidigung des Menschen – Grundlagen einer verkörperten Anthropologie (Suhrkamp, Frankfurt/M. 2020)
Kurze Vorschau auf die Herbsttagung 2022 des Forums Medizin und Philosophie, zu der auch Nicht-Mitglieder herzlich eingeladen sind
Naturwissenschaftliches Denken bedeutet ganz selbstverständlich, dass das erlebende
Subjekt zurücktreten muss vor einem objektiven Blick auf den Gegenstand der Forschung. Das gilt logischerweise auch in der Biologie und in der Neurobiologie. Aber je mehr wir unser Bewusstsein verdinglichen wollen, desto sperriger steht die menschliche Subjektivität
dazwischen. Denn wer sind wir in diesem intelligenten ‘Ding’, das Gehirn genannt wird?
Können wir den Menschen ausschliesslich in der dritten Person Perspektive betrachten ohne aus ihm ein Artefakt zu machen?
Thomas Fuchs durchleuchtet diesen Widerspruch, indem er sozusagen auf Feld eins
zurückkehrt und sich bewusst macht, dass das lebendige Subjekt, dass wir in unserer
Leiblichkeit es sind, die leben, erleben und erfassen, dass wir denken, nicht das Gehirn. Das
bedeutet Abschied zu nehmen vom Gedanken, die dritte Person Perspektive könne die Frage nach dem Lebendigen à fonds ausleuchten, und es heisst, uns und auch unser kognitives Streben wieder in seine unauflöslichen Bezüge zur Natur – zu unseren Überlebensbedingungen zu setzen. Das heisst dann freilich auch, dass wir die Natur – unsere Natur – verfehlen, wenn wir sie bloss ‘von aussen’ betrachten.
Wie sähe eine Medizin aus, die komplementär zur dritten immer auch die erste Person
Perspektive, ihre eigene Leiblichkeit einbringt, freilich nicht als zwei getrennte, als objektive
und subjektive, als somatische und psychologische Herangehensweisen, sondern in der
einfach klingenden Erkenntnis, dass die Physiologie, in deren Beforschung und ‘Beherrschung’ die medizinischen Autorität begründet ist, letztendlich nicht Ursache, sondern Ausdruck des Lebendigen ist? Denn der Mensch, der in der Sprechstunde erscheint, ist lebendig als ein in seinem Körper inkarniertes Subjekt. Dieses verkörperte Subjekt, dieses Selbst, diese seine Leiblichkeit verteidigt Fuchs gegen jeden Versuch, sie kurz zu schliessen mit den Resultaten naturwissenschaftlicher Forschung und so auf ihr Substrat zu reduzieren. Könnte es sein, dass naturwissenschaftliche Forschung, weil sie letztlich allein nach Wirkketten fragt, verkennt, dass Sinn und Bedeutung dem Leben inhärent sind?
Thomas Fuchs geht diesen Fragen in seinem Buch ‘Das Gehirn, ein Beziehungsorgan’
(Kohlhammer, Stuttgart) in profunder Weise nach. Sein Referat am Morgen und seinen
interaktiven workshop am Nachmittag sollte man nicht ohne Grund verpassen.
Was zeitlich bloss als Anhängsel erscheint, nämlich die Gründung einer Arbeitsgruppe
‘Emotionen in der Philosophie’, steht in Zusammenhang mit dem Hauptthema unserer
Herbsttagung. Gerade die Philosophinnen und Philosophen übersehen oft, wie sehr unsere
Emotionen das Denken und Erkennen steuern und dass wir gut daran tun, sie nicht als
Launenhaftigkeit gering zu schätzen. Unser Mangel an gegenseitigem Verständnis gründet
zumeist nicht in einem Mangel an Rationalität, sondern im Mangel an Einsicht in die
emotionalen Grundlagen unseres Denkens.
Für den Vorstand Forum Medizin und Philosophie, Thomas Schweizer